20. August 2021

Die Investitionsrisiken angehen

Die erneuerbaren Energien fristen in der Schweiz mit Ausnahme der Wasserkraft immer noch ein Schattendasein. Im Jahr 2018 trugen die neuen erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Wind und Biomasse) gerade einmal 4% zur gesamten inländischen Stromerzeugung bei [1]. Um die Ziele der Energiestrategie 2050 und des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss der Ausbau aller erneuerbaren Energien im Inland beschleunigt werden. Aus diesem Grund hat der Bundesrat im April 2020 einen Entwurf zur Revision des Energiegesetzes veröffentlicht, welcher die Förderung der erneuerbaren Energien bis 2035 gewährleisten soll. Die öffentliche Vernehmlassung dazu läuft noch bis im Juli 2020.

In seinem Vorschlag setzt der Bundesrat mehrheitlich auf einmalige Investitionsbeiträge, welche eine Steigerung der Investitionen in erneuerbare Energien im Inland auslösen sollen. Er begründet dies mit der grösseren Fördereffizienz sowie dem optimierten Anlagenbetrieb, wenn eine Anlagenbetreiberin von den Strommarktpreisen abhängt [2].

Jedoch setzt kein anderes Land auf dieses Instrument. Denn vor allem für intermittierend produzierende Technologien, wie Photovoltaik, verkennt der Bundesrat dabei die wahren Gründe des Investitionsstaus in solche Anlagen: die hohen Investitionsrisiken. Diese entstehen, da die zukünftigen Einnahmen aus den Stromverkäufen unsicher sind. Grosse Anlagen müssen den produzierten Strom direkt auf dem Markt verkaufen und sind direkt abhängig von den stark schwankenden Strommarktpreisen – vor allem für Technologien, die ihre Produktion nicht beliebig anpassen können, ist dies ein Problem. Kleinanlagen wiederum sind von den Rückspeisetarifen ihres lokalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen abhängig, deren Generosität schweizweit sehr variiert.

Verschiedene Energie- und Wirtschaftsverbände fordern deshalb berechtigterweise eine Anpassung des bundesrätlichen Fördermodells. Die Allianz Schweizer Energiewirtschaft verlangt zum Beispiel einmalige Investitionsbeiträge in Kombination mit einheitlichen minimalen Rückliefertarifen für Kleinanlagen und wettbewerbliche Ausschreibungen für gleitende Marktprämien für Grossanlagen. Die gleitende Marktprämie gleicht dabei die Differenz zwischen dem Strommarktpreis und dem in der Ausschreibung festgelegten, höheren Betrag aus, sodass der Anlagenbetreiber ein stabilen Mindesttarif für den produzierten Strom erhält.

Beide Vorschläge – die minimalen Rückliefertarife für Kleinanlagen und die gleitenden Marktprämien für Grossanlagen – gehen in die richtige Richtung, da sie die Investitionsrisiken für die Betreiber minimieren. Diese Umverteilung der Investitionsrisiken bedeutet, dass der Förderumfang von den Strommarktpreisen abhängt und deshalb variieren kann. Die Fördereffizienz wird dabei aber nicht unbedingt beeinträchtigt. Beispiele aus dem Ausland, wie Deutschland, Dänemark oder Portugal, zeigen eindrücklich, dass stabile Rückliefertarife für Klein- und Marktprämien für Grossanlagen auch heute noch effektiv sind, um dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schub zu verleihen. Will sie ihre Ausbauziele erreichen, sollte die Schweiz den Sonderweg der alleinigen Investitionsbeiträge verlassen und auch auf diesen Zug aufspringen.

 

[1] BFE (2019). Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2018. Bern: Bundesamt für Energie.

[2] Schweizerische Eidgenossenschaft (2020). Revision des Energiegesetzes (Fördermassnahmen ab 2023) – Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage. Bern.

 

Léonore Hälg, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschungsgruppe für Erneuerbare Energien, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften